Madeira Anfang März 2020

Am 7. März war mein Heimaturlaub in Deutschland zu Ende und es ging wieder auf meine Lieblingsinsel Madeira. Mit Edelweiss Air ging es wie gewohnt von Zürich aus nach Funchal auf der portugiesischen Insel Madeira. Die Insel selbst und meine Arbeits- und Lebensbedingungen wurden hier schon mehrfach beschrieben und sollen heute nicht noch einmal thematisiert werden. 

Mein Kollege, der mich während meines Urlaubes im Zielgebiet vertreten hatte, konnte mich ein paar Tage zuvor bereits vorwarnen, dass Einiges an Arbeit auf mich warten würde. Da wir gleich Anfang März zwei Gruppen mit Reisebüromitarbeitern auf Madeira hatten, war klar, dass die gewonnene Erholung nach spätestens einer Woche wieder dahin sein würde. Doch wie sich schnell herausstellen sollte, waren die Gruppen unser kleinstes Problem in diesen Wochen. 

Samstag Vormittag war ich auf Madeira gelandet und von meinem Kollegen abgeholt worden. Sofort ging es ins Büro zur Übergabe und Einarbeitung. Neu war hier nur wenig, da die Winterzeit immer recht ruhig für uns ist. So konnten wir uns am Abend auch gleich mit der ersten Infogruppe zum Abendessen treffen. Dies sollte nach einem Besuch des Hotels Melia Madeira Mare auch im dortigen Restaurant stattfinden. Die Besichtigung war problemlos, die Gruppe nett und das Essen gewohnt lecker. Und doch gab es an diesem Abend noch ein Ereignis, das noch viele von uns in Erinnerung behalten sollten. 

 

Um 20:58 Uhr begann die Erde vor Madeira zu beben. Was wie zwei Züge klang, die mit vollem Tempo durch das Buffet-Restaurant fahren würden, entpuppte sich schnell als ziemlich beachtliches Erdbeben. Da ich schon an anderen Orten einige Erdbeben erlebt hatte, war mir schnell klar, dass es sich hier nicht um ein lokales Ereignis im Hotel gehandelt haben konnte. Da auf dem Parkplatz vor der Terrasse sämtliche Alarmanlagen der dort geparkten Autos angingen und wenig später auch ein Nachbeben zu spüren war, war ich mir sicher, dass es mindestens ein beben der Stärke 5 auf der nach oben offenen Richterskala gewesen sein musste. Nur wenige Minuten später konnte man in diversen Internet-Artikeln und Apps lesen, dass es sich um ein Erdbeben der Stärke 5,6 gehandelt hatte, dessen Epizentrum vor dem Ort Canico im Meer gelegen hatte. Schäden waren zumindest um uns herum auf den ersten Blick keine zu sehen und auch die Menschen hatten sich nach einem sichtbaren Schrecken recht schnell wieder erholt. Am nächsten Morgen konnte man dann lesen, dass es an einigen Stellen auf der Insel kleinere Schäden aber keine Menschenleben zu beklagen gab.

 

Die erste von unseren beiden Gruppen hatte also bei ihrer Abreise zwei tage später schon einiges zu erzählen. Die zweite Gruppe reiste am 9.3. an und war, was wir zu dieser Zeit noch nicht wussten, wohl für lange Zeit eine der letzten Gruppen von Reisebüromitarbeitern. Das Programm, das wir für die Gruppe zusammengestellt hatten wurde sehr gelobt und wurde planmässig und zu vollster Zufriedenheit durchgeführt. Doch schon in diesen Tagen war den Expedienten und Kollegen aus der Zentrale in Köln die Spannung anzumerken. 

 

Wir alle bekamen die ersten Auswirkungen der Ausbreitung des Corona-Virus langsam zu spüren. Täglich kamen neue Meldungen vor allem aus Italien und Österreich, die auch Deutschland, seine Politiker und seine Menschen beunruhigten. Fast minütlich kamen neue Nachrichten von Ländern, die Landesteile oder ganze Länder für Ausländer geschlossen haben. Auch wenn die Gruppe am 13.3. gerade noch ohne Probleme ausreisen konnte, war schon da klar, dass wir es hier in den nächsten Tagen, Wochen und Monaten mit einer nie dagewesenen Krise in allen Bereichen des öffentlichen Lebens und ganz besonders im Tourismus zu tun haben würden. 

 

Es folgte eine der schwierigsten und arbeitsaufwendigsten Evakuierung aller Zielgebiet der DER Touristik in der Geschichte des Unternehmens. Für uns auf Madeira bedeutete dies, dass wir alle Gäste, die eine Abreise nach dem 19.3. gebucht hatten, evakuieren mussten. Bis dahin sollten laut portugiesischer und madeirensischer Regierung alle Flüge mit sofortiger Wirkung leer ankommen und mit den planmässig gebuchten Gästen wieder abfliegen. Das bedeutete zum einen, daß die Saison für alle, die auf Madeira mit dem Tourismus zu tun haben, von jetzt auf gleich beendet war. Kein neuer Gast konnte mehr die Insel betreten, und die Gäste, die noch da waren, mussten in den nächsten Tagen ausreisen. Hoteliers, Agenturen, Ausflugspartner, Mietwagenpartner und auch die ganz normalen Restaurants und Geschäfte auf der Insel würden diesen Einschnitt spüren. Für viele würde dies der Untergang und Bankrott bedeuten. Schon das am Donnerstag ausgesprochene Verbot für Kreuzfahrtschiffe am Hafen anzulegen, war in den folgenden Tagen sofort in der Stadt zu spüren. 23 Schiffe mit über 50 000 Passagieren an Bord waren für die restlichen Tage des März noch angekündigt. Jetzt war klar, daß diese Gäste die Insel nicht besuchen würden und somit auch keinen Euro hier lassen würden. Nun also auch noch die Fluggäste ! Eine Katastrophe ! Nicht nur für die Veranstalter in allen europäischen Ländern, sondern eben auch für die Einheimischen auf einer Insel, die zu 70% vom Tourismus lebt. 

Für uns von der DER Touristik bedeutete dies extrem viel Arbeit und die Ungewissheit, was mit uns selbst passieren würde. 

Zunächst hieß es, alle verbliebenen Gäste zu kontaktieren, ihnen die Infos zu geben, daß sie evakuiert werden müssen und die Telefonnummern einzusammeln, da wir sie schnellstmöglich erreichen mussten, wenn wir wissen würden, wann die Flüge die Kunden ausfliegen würden. Das erforderte von meinen drei Mitarbeitern und mir extrem viel Telefonarbeit. Da zudem auch noch die Hotelbesuche der Reiseleiter anstanden, wurden es sehr lange Tage.

 

Da wir alle schon Erfahrungen mit anderen Krisen in diversen Zielgebieten hatten, lief alles sehr organisiert und ruhig ab. Großes Kompliment an meine Reiseleiter, die ihr Privatleben komplett hinten anstellten und nie auch  nur eine Sekunde jammerten. Nach einem ersten Evakuierungsflug am Dienstag war am Mittwoch klar, daß am Donnerstag, den 19.3.2020, der letzte Flug der DER Touristik von Madeira aus nach Deutschland starten würde. Als auch für diese Condor Maschine nach Frankfurt alle Gäste gebucht und informiert worden waren, wurden auch wir als DER Touristik Madeira informiert, daß wir das Zielgebiet mit diesem Flug verlassen sollten. So musste ich in wenigen Stunden auch noch das Büro halbwegs ordentlich verlassen, die Kasse machen und meine Wohnung auflösen. Als auch das am Abend des 18.3. organisiert und beendet war, hieß es zunächst von den Kollegen der Agentur und dann von Madeira selbst, Abschied zu nehmen. Ob und wann wir zurückkehren würden, war und ist noch heute völlig ungewiss. So endete für mich eine sehr kurze zweite Saison auf Madeira und der Flug in eine völlig ungewisse Zukunft startete am Donnerstag relativ pünktlich um 12:30 Uhr auf dem Flughafen von Funchal.