Der Teide Nationalpark

Nachdem ich mich in meiner neuen Destination Teneriffa inzwischen gut eingelebt habe, die Kollegen kennengelernt habe und auch meine für die Arbeit wichtigen Hotels kenne, kann ich mich an den freien Tagen endlich wieder der Natur widmen. Die freien Tage in meiner Branche sind rar, daher gilt es jede Minute in der herrlichen Landschaft Teneriffas zu geniessen. An traumhaften Ecken mangelt es der Kanareninsel bestimmt nicht. Man muss nur die ruhigen Flecken abseits des Touristenrummels finden. Wer nur die Hauptstraßen fährt oder von den Veranstaltern angebotene Ausflüge mitmacht, der sieht zwar die größten Attraktionen, ist aber nie mit sich und der Natur alleine. Ich versuche an den Wochenenden dagegen die Orte zu finden, wo man Teneriffa noch für sich alleine hat.

So kurios das klingt, aber gerade in einer der größten Touristenattraktionen der Insel ist dies am besten möglich. Die Rede ist vom Teide Nationalpark. Jeder, der irgendwann einmal auf Teneriffa war, wird wohl mindestens einmal im Nationalpark gewesen sein. Doch die wenigsten trauen sich, oder haben die Zeit, auf eine Wanderung zu gehen. Und so kommt es, daß man bei einer Wanderung im Park fast keinen Menschen begegnet und diese einmalige Landschaft fast für sich alleine hat. 

 

In meinen bisher 3 Monaten auf Teneriffa hatte ich Zeit für bisher drei Wanderungen. Alle waren landschaftlich herausragend, alle waren komplett unterschiedlich und alle hatten gemeinsam, daß ich fast immer alleine unterwegs war.

Meinen ersten Kontakt mit einer Wanderung im Teide Nationalpark hatte ich im Mai auf der Wanderung 18, genannt Chavao. Diese wurde mir von einer unserer Reiseführerinnen zuvor auf einem meiner Ausflüge von der DER Touristik empfohlen. Und sie sollte Recht behalten. Einmal abgesehen von Hawaii war ich noch nie in einer solch unwirtlichen und doch faszinierenden Landschaft unterwegs gewesen. Die Wanderung beginnt am kleinen Museo Etnografico Juan Evora kurz vor der Straßenkreuzung der TF21 aus dem Süden mit der TF38 aus dem Westen. Früh am Tag hatte ich Glück und fand noch einen der wenigen Parkplätze dort. Die rund 90 minütige Strecke führt entlang einer Lavazunge des Pico Viejo zur Rechten und dem Westrand der gewaltigen Caldera zur Linken zum Mirador de las Narcises del Teide und auf dem gleichen Weg auch wieder zurück. Jeder Schritt entlang und später auch auf der rabenschwarzen erkalteten Lava ist ein Genuss. Auch wenn es trotz der Höhe von über 2100m an diesem Tag sehr warm war, machte mir die trockene Hitze weit oberhalb der Wolkendecke nichts aus. Ich war begeistert von blühenden Tajinasten am Wegesrand, der schroffen A-A-Lava und den steil aufsteigenden Berghängen mit einigen wenige Pinien, die sich in dieser Höhe noch halten. 

Was für ein Einstieg! Was für ein Erlebnis! 3 Stunden ohne jeden menschlichen Kontakt mit dem aktiven aber schlafenden Vulkan Teide auf Du und Du. Großartig!

 

Einige Wochen später war ich während des Besuchs meiner Familie erneut im Nationalpark unterwegs. Diesmal ging es ganz in den Osten des Parks. Wir fuhren vorbei am höchsten Berg Spaniens, dem 3715m hohen Teide. Erstaunt blicken einem Gäste immer wieder an, wenn sie vor diesem Wunder der Natur stehen und erfahren, daß eben dieser Vulkan und nicht irgendein Berg in einem Skigebiet der Pyrenäen der höchste Berg Spaniens ist. Und nicht nur das, er ist mit 7500m Höhe sogar der dritthöchste Inselvulkan der Erde vom Meeresboden aus. Zudem ist er noch immer aktiv, auch wenn er seit Hunderten von Jahren schläft. Experten glauben, dass ein neuer Ausbruch nicht mehr so lange auf sich warten lässt. Ein unglaubliche Vorstellung.

 

Majestätisch erhob sich der Bergriese auch an diesem Morgen aus der Mitte Teneriffas, als wir vorbei am Besucherzentrum des Parks auf die zahlreichen Observatorien zufuhren. Kurz vor den schneeweißen Observatorien von Wissenschaftlern aus 7 Ländern liegt am Mirrador El Corral del Nino ein kleiner Parkplatz, an dem die Wanderung Nr.20 zum Volcan de Fasnia beginnt. Der rund 8km lange Weg führt über gut 3,5 Stunden zunächst auf roter Vulkanerde durch eine baumlose Landschaft, in der der Teide immer vor einem sichtbar ist. Erst wenn er hinter einigen roten Kuppen verschwindet, wird der Blick frei auf den rabenschwarzen kleinen Vulkan Fasnia. Was für ein Kontrast und was für ein faszinierendes Farbenspiel. Auch wenn die Sonneneinstrahlung über 3 Stunden extrem war und viel Wasser und Sonnenschutz Grundvoraussetzungen sind, ist auch diese Wanderung jedem zu empfehlen, der in die Tiefen dieses Parkes vordringen will. Meine Familie und ich waren begeistert und werden in diesen Teil des Nationalparks auf jeden Fall zurückkehren.

 

Wieder ein paar Wochen später, die Tajinasten waren längst verblüht, fuhr ich an einem sonnigen Sonntag in den Westen der Insel. Über Chio führt eine spektakuläre Serpentinenstraße hinauf in den Nationalpark. Kurz bevor man den Teide Nationalpark und somit ein Weltnaturerbe der UNESCO erreicht, kommt man auf der linken Seite an einen Aussichtspunkt, den Mirador de los Poleos. Zum einen hat man von hier aus an klaren Tagen einen phantastischen Blick auf die Nachbarinsel La Palma, und zum anderen ist nur wenige Meter weiter der Startpunkt zu meiner nächsten Wanderung. Die Wanderung rund um den Vulkan Chinyero ist knapp außerhalb der Parkgrenzen in einem Naturpark gleichen Namens und hat keine Nummer. Vom Startpunkt an der Straße TF38 rund um den Berg sind es auf sehr abwechslungsreicher und wenig anstrengender Strecke gut 7km und ebenfalls fast 3 Stunden Wanderung.

Selten hat mich eine Wanderung von so geringer Länge so fasziniert wie diese 7km. Der Kontrast aus grünem, saftigen Pinienwald, dem Schwarz der Lavaströme und dem Blau des Himmels ist einmalig schön. Dazwischen bunte Blumen, meist gelb oder lilafarben. Und im Hintergrund überragt wieder der Teide selbst die Szenerie.

Sein kleiner Bruder, der Chinyero, war für den bisher letzten Vulkanausbruch auf Teneriffa verantwortlich. Vom 18. bis 27.11.1909 spuckte der 1556m hohe Vulkan Feuer und Asche. Erst kurz vor dem Ort Santiago del Teide kam der Lavafluss zum Stehen. Für die Einheimischen ist das noch heute ein Wunder. 

Die rund 110 Jahre, die seitdem vergangen sind, waren zu kurz, als daß auf der Lava von damals schon wieder etwas wachsen könnte. Dementsprechend geht es bei dieser Wanderung oft über eine schwarze Geröllpiste einmaliger Schönheit. Und dort, wo die Lava sich nicht ausbreitete wachsen weiter die größten Pinien mit ihren für die Kanaren so typischen langen Nadeln, um die täglich aufziehende Feuchtigkeit aus den Wolken zu ziehen. 

Auch während meiner Wanderung an diesem Tag stiegen die Wolken über dem Nordwesten der Insel immer weiter nach oben, blieben aber kurz unter mir hängen. So lief ich mit mir und der Natur alleine knapp oberhalb der Wolkendecke durch eine traumhafte Landschaft mit Blick auf den Teide zur Rechten und die Insel La Palma, die aus dem Wolkenmeer herauslugte, zur Linken.

Auch dies war ein einmaliges Erlebnis in einer Landschaft, die so auf der Welt einmalig ist.