Milford Road

Es gibt Straßen auf der Welt, die sind einfach nur schön. Die Milford Road hat noch den kleinen Nebeneffekt, dass sie auch noch zusätzlich an einem der entlegensten Winkel der Erde liegt. Neuseeland ist von Deutschland aus mit dem Flugzeug am weitesten entfernt. Hat man Auckland oder Christchurch dann endlich erreicht, so ist man noch lange nicht am Ziel. Dieses liegt auf der neuseeländischen Südinsel und dort ganz im Westen. Von der nächst größeren Stadt Queenstown aus fährt man gute 2,5 Stunden bis an den Beginn der Milford Road. Bis dahin ist Neuseeland auf jeden Fall auch eine Reise wert. Auckland, Wellington und Christchurch als Städte, die Vulkane und geothermalen Quellen und Geysire auf der Nordinsel und die neuseeländischen Alpen mit ihren Gletschern und glasklaren Seen auf der Südinsel haben mich schon immer begeistert. Doch die Fahrt auf der Milford Road zählt ohne Zweifel zu den schönsten Roadtrips der Welt.

 

In dem kleinen Örtchen Te Anau am gleichnamigen See beginnt Highway 94, besser bekannt als Milford Road. Te Anau selbst ist ein winziges Örtchen mit rund 2000 Einwohnern, das als Tor zum Milford Sound und dem Fjordland National Park gilt. Der Ort wurde nach dem gleichnamigen See benannt und heisst in der Sprache der Maori so viel wie "in einer Höhle rauschendes Wasser". Viele Sehenswürdigkeiten gibt es hier nicht. Te Anau ist ein Versorgungsort für die noch weiter abgelegenen Häuser und besteht aus vielen Motels und touristischer Infrastruktur. Viele Besucher der Milford Road übernachten in dem Ort, ehe sie sich auf den Weg machen. So habe auch ich schon zweimal in Te Anau direkt am See geschlafen. 

Malerisch liegt der Lake Te Anau in dieser Landschaft, die dem heimischen Allgäu sehr ähnelt. Was dort der Chiemsee ist, kennt man hier als Lake Te Anau. Der See ist mir 344 qkm der größte See der neuseeländischen Südinsel und der zweitgrößte See des Landes. Steht man in Te Anau am Ufer, genießt man den Blick auf die meist schneebedeckten Berge auf der anderen Uferseite.

Verlässt man den Ort nach Norden auf Highway 94, so startet man auf eine 120km lange Einbahnstraße, die einem direkt in den Fjordland National Park führt. Mit über 12500qkm Fläche ist es der größte Nationalpark Neuseelands. Zusammen mit dem Wetland National Park, dem Mount Cook National Park und dem Mount Aspiring National Park bildet er die Te Wahipounamu World Heritage Area. Dieses nur in ganz kleinem Masse für Touristen zugänglichen Gebiet wurde bereits 1990 zum Weltnaturerbe der UNESCO ernannt und steht daher unter strengstem Schutz. Nur diese eine Straße führt in den Fjordland National Park bis an den Milford Sound. Das komplette restliche Gebiet ist nur zu Fuß oder per Flugzeug zugänglich. 

Der erste Teil der Straße ist noch relativ unspektakulär und führt entlang des Lake Te Anau bis nach Te Anau Downs. Dort ist die Fjordland National Park Lodge eine der letzten und besten Unterkünfte in dieser einsamen Gegend. Direkt gegenüber kann man sich vor der langen Fahrt noch einmal die Füße auf dem Lake Misteltoe Trail vertreten, der zu dem gleichnamigen kleinen tiefblauen See führt. 

Von nun an folgt die Straße dem Eglinton River, der aus den Bergen kommt und in den Lake Te Anau fliesst. Kurz hinter den Boyd Creek Falls fährt man in den Nationalpark. Die Fahrt in den Park ist kostenlos und wird von diesem Moment an mit jedem zurückgelegten Kilometer spektakulärer. Bald türmen sich rechts und links die schneebedeckten Berge gen Himmel, während man weiter dem Eglinton River folgt. Mehrere einfache Campingplätze liegen in dem malerischen Eglinton Valley, dessen ganze Schönheit man kurz nach dem Mackay Creek Campground bewundern kann. 

An den Mirror Lakes lädt ein kurzer Weg zu einem Aussichtspunkt, wo man sehen kann, wie herrlich sich die Berge in den kleinen Seen spiegeln und großartige Fotomotive bieten. Auch am Lake Gunn Nature Walk kann man auf einem kurzen Trail viel über die Natur an diesem entlegenen Winkel der Erde lernen. Selten habe ich so viel Moos an Bäumen und Wurzeln gesehen, wie auf diesem kleinen Spaziergang. Auch bei gutem Wetter wird hier deutlich, dass man sich hier nicht nur an einem der schönsten, sondern auch an einem der feuchtesten Flecken Erde befindet. Da ich bei einem meiner beiden Besuche gutes und auch einmal schlechtes Wetter hatte, konnte ich beide Perspektiven erleben. 

Am 3km langen Lake Gunn befindet man sich dann bereits an einer der engeren Stellen der Strecke. Die Felsen kommen immer näher. Es scheint, als würde die Straße bald enden. Am Pop`s View Lookout macht der Highway plötzlich eine scharfe Linkskurve und schwenkt kurz vor den Felswänden des Mount Christina an dessen Südflanke entlang nach Westen. Der Monkey Creek ist nun mein sanft dahingleitender Begleiter, ehe die Straße kurz nach dem Gertrude Valley Lookout tatsächlich endet. Zumindest erscheint es so, wenn man direkt auf den 2105m hohen Mount Talbot zufährt. Diesmal ist des Rätsels Lösung ein Tunnel. Der Homer Tunnel bohrt sich in den Fels und führt einem auf die andere Seite des Berges, von wo es nun wieder bergab in ein nicht minder beeindruckendes Tal führt. Vom 1855 Lookout genießt man die Aussicht am besten. 

Die Tutoko Bridge bringt den Besucher trockenen Fußes über den gleichnamigen Fluss, der als letztes Hindernis noch vor einem liegt. Dann ist mit Milford Sound das Ziel der Reise erreicht.

Milford Sound ist zum einen ein winziger Ort mit nur 200 Einwohnern buchstäblich am Ende der Welt, zum anderen der namensgebende Fjord, der nun vor einem liegt. Der 14km lange Meeresarm ist so etwas wie die Fortsetzung der Milford Road und an Schönheit nicht zu überbieten. Daher empfiehlt sich auf jeden Fall eine der angebotenen Bootstouren zu unternehmen. Nur so kann man die volle Schönheit des Fjordes aus nächster Nähe genießen. Ich empfehle von Southern Discoveries die Discover More Cruise. Die dreistündige Bootsfahrt führt durch den ganzen Fjord bis fast an die Mündung zur Tasman Sea und kommt den eindrucksvollen Wasserfällen sehr nah. Einige, wie die Bowen Falls oder die Stirling Falls, fallen fast senkrecht aus mehreren Hundert Metern in den Fjord und sorgen bei den Bootsfahrern für eine angenehme Erfrischung. Das schönste Fotomotiv bietet der 1692m hohe Mitre Peak, der malerisch direkt im Meeresarm steht. Gemütlich schippern die Boote einem an diesen steilen Hängen entlang. Die Strecke gilt als eine der schönsten Bootstouren der Erde und ist völlig plausibel längst von der UNESCO zum Weltnaturerbe ernannt worden. Wer die Natur auch unter Wasser genießen will, der sollte bei der Discover More Cruise auch das Underwater Observatory besuchen. Hier erfährt man alles über die Flora und Fauna unter der Meeresoberfläche. Schwarze Korallen, zahlreiche endemische Fischarten, Zwergpinguine und Seehunde sind hier die Stars. Glück muss man haben, wenn man einen der rund 65 hier lebenden Delfine in freier Wildbahn sehen möchte. Ein Erlebnis ist die Fahrt auf dem Milford Sound aber in jedem Fall. Und das bei jedem Wetter.

Ich hatte einmal das Glück, den Fjord bei wolkenlosem Himmel zu erleben und war von den Fotomotiven begeistert. Nicht minder interessant, ja vielleicht sogar spannender, war der Besuch bei Regen. Da waren die Wasserfälle spektakulärer und der Fjord mystischer.  

 

Wer die Milford Road befahren will, der sollte vor allem Zeit mitbringen. Nach Neuseeland fliegt man nicht einmal übers Wochenende. Mindestens zwei, besser noch drei oder vier Wochen Urlaub sollte man haben, um die volle Schönheit des Landes auf sich wirken zu lassen. Für die Milford Road selbst benötigt man "nur" einen Tag. Besser ist es jedoch, man ist mit einem Camper unterwegs und übernachtet auf einem der zahlreichen einfachen Campingplätze unterwegs. So kann man die Landschaft und den Fjord eventuell bei verschiedenen Wetterlagen erleben und auch die ein oder andere Wanderung unternehmen. 

Vorsicht jedoch vor den zutraulichen Keas. Die lauten Papageien dieser Region mit ihrem dunkelgrünen Gefieder sind zwar nett anzuschauen, sind jedoch auch kleine Diebe und zerstören auch gerne alles, was am Fahrzeug aus Plastik oder Gummi ist. Die Tiere bitte auf keinen Fall füttern.

Wer sich an diese Regel, den Linksverkehr und vor allem auch die strengen Geschwindigkeitsbegrenzungen hält, der erlebt auf der Milford Road ohne Zweifel seinen "Roadtrip of a lifetime".